Hat’s offensichtlich. Weiter im Text.
An der Grenze nach Bolivien wird – außer der Papiere – nichts kontrolliert. Trotzdem muss ich in der Fußgängerschlange ca. 45min warten, da vor mir eine Gruppe von etwa 15 Personen dran ist, deren Passkontrolle extrem lange dauert. Eine Art Reiseleiterin (obwohl die Leute nicht gerade wie Urlauber aussehen) ruft immer wieder Namen auf und aus der Gruppe gelangweilt bis genervt guckender Leute treten immer wieder einzelne Personen hervor und gehen an das Schalterfenster – einige auch mehrmals. Endlich über die Grenze muss ich dann in Villazón, der bolivianischen Schwesterstadt von La Quiaca, noch 1km bis zum Busbahnhof laufen. Der Bus nach Sucre fährt um 17h und braucht 12,5 Stunden. Ich habe also noch ein paar Stunden Zeit und laufe durch die Straßen.
Dieser nette Herr bemüht sich nach Kräften, einem streunenden Hund etwas essbares aus einer Mülltonne zu beschaffen. Dafür muss er aber noch weiter rein!
In den ersten drei Internetcafés sagt man mir, dass es kein Internet gibt. Ich denke dass die ganze Stadt heute vielleicht kein Netz hat und gehe erstmal was essen. Der Wirt fragt „¿Almuerzo?“ („Mittagessen?“). Ich nicke und warte auf die Karte. Aber almuerzo ist almuerzo. Ich bekomme ein Stück Brot mit etwas Salat, dann eine Kartoffelsuppe mit Fleischeinlage und schließlich Hühnchen mit Reis und Gemüse. Es geht Schlag auf Schlag. Kaum habe ich das Brot aufgeschnitten, kommt die Suppe. Nach drei Löffeln Suppe kommt das Huhn. Wie immer bestelle ich mir dazu eine Limonade (und meistens bekommt man dann ein mehr oder weniger süß und/oder sauer schmeckendes Getränk aus mehr oder weniger frischen Zitronen), aber es gibt nur Sprite in der 1/2-Liter-Flasche. Ich zahle 22 Bolivianos =2,35€ (davon wahrscheinlich die Hälfte für’s Getränk) und will die halbvolle Flasche mitnehmen. Das geht aber nicht, denn auf die Flasche gibt es Pfand. Ich bin gerne bereit das Pfand mitzubezahlen und frage wiederholt nach dem Preis, bekomme aber keine verwertbare Antwort. Dann macht der Wirt den Vorschlag, dass er mir eine Tüte geben könnte. Ich denke, jetzt habe ich ihn überzeugt. Da man hier für alles was man kauft eine Tüte bekommt, sage ich ihm, dass ich keine Tüte für die Flasche brauche. Aber er hat anderes im Sinn…
...und füllt mir die Sprite in eine Tüte um.
Bei meinem letzten Anlauf, ein Internetcafé mit Internetanschluss zu finden, habe ich dann doch noch Glück.
Als es endlich 17h ist, beginnt die schlimmste Busfahrt meiner bisherigen Reise – nein, meines Lebens. (Ja, die Fahrt nach Potosí wurde noch übertrumpft!) Aber vor einer so langen Busfahrt geht man besser nochmal auf’s Klo, denn die gibt es hier in den Bussen nicht.
Danke für den Hinweis, weder auf den Boden zu urinieren noch zu kotzen!
Die Busfahrt: In einem kalten Bus kann man sich ja diverse Klamotten anziehen und Decken mitnehmen, aber sich in einem heißen Bus nackig zu machen ist ja leider nicht so angesagt. Die Luft lässt sich schneiden, riecht nach Schweiß, Furz und gelegentlich kommt ein Schwall von Koka und diversen Lebensmitteln vorbeigezogen. Die Sitze sind unglaublich eng, weshalb ich meine Jacke in die Gepäckablage stopfen muss. Der Typ neben mir hat offensichtlich Schlaftabletten genommen und schläft schon, bevor wir abfahren. Die Straße ist in einem erbärmlichen Zustand und man wird ziemlich durchgeschüttelt. Die Musik ist so laut, dass eigene Musik und Kopfhörer nicht dagegen ankommen. Um 20:30h machen wir unsere erste und einzige Pinkel- und Essenspause und ich versuche ohne Erfolg meinen Nachbarn zu wecken. Als ich wieder einsteige ist meine Jacke geklaut.
Nach der Pause wird die Musik ausgestellt und die meisten Leute versuchen zu schlafen. Ich hingegen versuche, den Diebstahl und die widrigen Umstände mit entspannter Musik zu kompensieren. Es läuft gerade Johnny Cash’s „The talking leaves“, da fällt mir ein Karton mit Lebensmitteln aufs Gesicht. Mein komatöser Nachbar schreckt hoch, beugt sich über mich, sammelt die Sachen zusammen, stellt den Karton zwischen seine Beine und schläft schon wieder; diesmal mit gespreizten Beinen, was mir überhaupt keinen Platz mehr lässt. Mit aller Kraft drücke ich sein Bein wieder auf seine Seite. Dann kommt der Ersatzbusfahrer in den Fahrgastraum, setzt sich mit Schwung in den freien Sitz in der ersten Reihe direkt vor mir, zieht schon im Zurückfallen den Rückenlehnenhebel und quetscht meine Beine endgültig ein. Ich stoße in einem Reflex seine Lehne unsanft wieder nach vorne. Er versucht noch zwei weitere Male seine Lehne nach hinten zu machen, aber ich lasse ihn nicht. Als er sich umdreht und fragt was das Problem ist, mache ich ihm – inzwischen dann doch schon leicht gereizt – klar, dass meine Beine auch etwas Platz benötigen und er auf gar keinen Fall seine Lehne zurückmachen kann. Dann setzt er sich irgendwo hinten im Bus auf einen freien Platz.